Was haben Häutungen bei Insekten und grossflächig wachsende Baumpilze gemein? Sie folgen einem klaren Prozess, rauschhaft und zugleich fragil. Da ist «Eleusis» von Stefan Wirth: Wie bei Baummyzelien, die ein riesiges Pilznetzwerk bilden können, verteilt sich das Orchester im ganzen Raum. Der in Luzern lehrende Schweizer spricht von einer «rituellen Handlung». Ein trancehafter Zustand ist ausdrücklich erwünscht.
Durch die «Einnahme hochdosierter musikalischer Ereignisse» soll dasselbe Glücksgefühl erreicht werden wie in den Mysterien von Eleusis bei den alten Griechen – ganz ohne Drogen. In «Moult» ist es die Häutung von Spinnen, die Clara Iannotta inspiriert hat. Die alte Körperhülle wird abgeworfen, und der neue, gemauserte Körper entsteigt quasi dem «Geist oder Schatten der eigenen Form». Die Italienerin spricht von einer «doppelten Zeitlichkeit», bei der das Gestern geradezu körperliche Spuren im Heute hinterlässt.
Bei Iannotta wird das Orchester zum Tier, das seine alte Hauthülle abstreift und mit ihr die Vergangenheit. Sie bleibt gleichzeitig weiterhin präsent. Dieser klangliche Häutungsprozess vollzieht sich so rauschhaft wie die lichten Klangfarben-Wandlungen in Beat Furrers «Phaos» von 2006 oder die spektralistische Sphärenmusik von Gérard Grisey. Der Werktitel «Phaos»
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Was haben Häutungen bei Insekten und grossflächig wachsende Baumpilze gemein? Sie folgen einem klaren Prozess, rauschhaft und zugleich fragil. Da ist «Eleusis» von Stefan Wirth: Wie bei Baummyzelien, die ein riesiges Pilznetzwerk bilden können, verteilt sich das Orchester im ganzen Raum. Der in Luzern lehrende Schweizer spricht von einer «rituellen Handlung». Ein trancehafter Zustand ist ausdrücklich erwünscht.
Durch die «Einnahme hochdosierter musikalischer Ereignisse» soll dasselbe Glücksgefühl erreicht werden wie in den Mysterien von Eleusis bei den alten Griechen – ganz ohne Drogen. In «Moult» ist es die Häutung von Spinnen, die Clara Iannotta inspiriert hat. Die alte Körperhülle wird abgeworfen, und der neue, gemauserte Körper entsteigt quasi dem «Geist oder Schatten der eigenen Form». Die Italienerin spricht von einer «doppelten Zeitlichkeit», bei der das Gestern geradezu körperliche Spuren im Heute hinterlässt.
Bei Iannotta wird das Orchester zum Tier, das seine alte Hauthülle abstreift und mit ihr die Vergangenheit. Sie bleibt gleichzeitig weiterhin präsent. Dieser klangliche Häutungsprozess vollzieht sich so rauschhaft wie die lichten Klangfarben-Wandlungen in Beat Furrers «Phaos» von 2006 oder die spektralistische Sphärenmusik von Gérard Grisey. Der Werktitel «Phaos» meint Helligkeit oder Licht.
Mit hohen, schwebenden Klängen und obertonreichen Spektren erzeugt Furrer diesen Eindruck. Sie treten aus mehrdimensionalen Klangereignissen hervor, die sich fast schon zeitlupenhaft herausschälen. Ähnlich agiert Grisey in «Le Temps et l'Écume» von 1989. In diesem «Zeitschaum» überlagern sich zusehends die zeitlichen «Ebenen von Verlangsamung und Beschleunigung. Zeit und Raum dehnen und komprimieren sich».
Gérard Grisey: Le Temps et l'Écume
Beat Furrer: Phaos für Orchester - Schweizer Erstaufführung
Clara Iannotta: Moult für Kammerorchester - Schweizer Erstaufführung
Stefan Wirth: Eleusis - Uraufführung
Titus Engel, Dirigent
Basel Sinfonietta
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