Erst durch die menschliche Perspektive wird die Natur zur Landschaft, wird ein Wald zum Urwald, zum Klimax, zu einem Tempel des Gleichgewichts, in den sich Inhalte einschreiben lassen. In der Biologie wird der Höhepunkt nach einer Sukzession als Klimax bezeichnet. Urwälder befinden sich im Klimax, sie existieren heute nur noch als ein vom Menschen geduldetes Relikt – als eine anthropologische Konstruktion. Selbst Urwälder sind nicht frei von vergangenen Ereignissen; sie beherbergen ihre eigenen Erinnerungen und Geschichten wie ein alter Tempel, der sowohl die Spuren der Vergangenheit sowie die Andeutung der Zukunft in sich trägt. Der Mensch sehnt sich nach einem Gleichgewicht, dem Zustand des stabilen Höhepunkts, der in der Vergangenheit zu existieren schien und in einer fernen Zukunft erreicht werden kann, aber niemals in der Gegenwart. Die Stabilität des Gleichgewichts eines Urwaldes liegt in seiner Instabilität. Ständiger Abbruch, Zerfall, Wiederaufbau und Neugestaltung gehen Hand in Hand. Ein niemals vollendeter Zustand, eine ewige Baustelle.
Im Artstübli – Kunst & Kultur, mitten in der hektischen Stadt Basel, verwebt die Künstlerin und Biologin Nadine Cueni in einer multimedialen Rauminstallation die digitale postnatürliche Umwelt mit dem archaischen Urwald
...
mehr anzeigen
Erst durch die menschliche Perspektive wird die Natur zur Landschaft, wird ein Wald zum Urwald, zum Klimax, zu einem Tempel des Gleichgewichts, in den sich Inhalte einschreiben lassen. In der Biologie wird der Höhepunkt nach einer Sukzession als Klimax bezeichnet. Urwälder befinden sich im Klimax, sie existieren heute nur noch als ein vom Menschen geduldetes Relikt – als eine anthropologische Konstruktion. Selbst Urwälder sind nicht frei von vergangenen Ereignissen; sie beherbergen ihre eigenen Erinnerungen und Geschichten wie ein alter Tempel, der sowohl die Spuren der Vergangenheit sowie die Andeutung der Zukunft in sich trägt. Der Mensch sehnt sich nach einem Gleichgewicht, dem Zustand des stabilen Höhepunkts, der in der Vergangenheit zu existieren schien und in einer fernen Zukunft erreicht werden kann, aber niemals in der Gegenwart. Die Stabilität des Gleichgewichts eines Urwaldes liegt in seiner Instabilität. Ständiger Abbruch, Zerfall, Wiederaufbau und Neugestaltung gehen Hand in Hand. Ein niemals vollendeter Zustand, eine ewige Baustelle.
Im Artstübli – Kunst & Kultur, mitten in der hektischen Stadt Basel, verwebt die Künstlerin und Biologin Nadine Cueni in einer multimedialen Rauminstallation die digitale postnatürliche Umwelt mit dem archaischen Urwald als Inbegriff roher und unberührter Natur.
Die Ausstellung zeigt eine grossformatige Projektion des Films „Climax – oh temple growing green“. Im Raum befinden sich architektonische Elemente mit Moos überzogen und Vorhänge mit Waldprints, begleitet von sphärischen Klängen. Betrachtende bewegen sich im spekulativen Videoessay durch eine künstliche, Filmlandschaft aus Wald und Architektur. Die Kamerafahrt durch einen digitalen Waldtempel zeigt Bilder von „Scatlè“, einem kleinen Waldstück im Kanton Graubünden, wohl einer der letzten Urwälder der Schweiz. „Scatlè“ bedeutet „verschachtelt“, und tatsächlich ist der Fichtenurwald verschachtelt und durch steile Felshänge, Geröllfelder und Lawinenbahnen schwer zugänglich. Der Wald verdankt seine Existenz seiner Unattraktivität für den Menschen – er wurde nie genutzt oder abgeholzt.
Baugerüste und Abdeckblachen der Installation „Under construction – Disclimax” verweisen auf den Urwald als ewige Baustelle, ein Ort des ständigen Abbruchs und Wiederaufbaus. Die Abdeckblache als etwas Provisorisches und Schutzbietendes in einer Phase des Wiederaufbaus dient als Material für die riesigen Prints in Schwarz-Weiss, die den Urwald Scatlè in einem Zustand des brachialen Umbruchs zeigen. Auf einem Screen sind als tableau vivant Filmaufnahmen aus diesem Urwald zu sehen, mal in Schwarz-Weiss, dann in Farbe. Die Aufnahmen könnten von morgen, gestern oder heute sein.
Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit Robin Michel, Melanie Kuratli, Go Tsushima, Soundguy Basel, Simon Wyss, Pablo und Andreas Muster realisiert.
Herzlichen Dank für die Unterstützung: Film- und Medienkunst BS/BL, MIGROS Kulturprozent, GGG Basel, Ruth und Paul Wallach Stiftung, Mustera Lithografie, Boenicke Audio, R. Soder Baugeschäft AG, Ausstellungsraum Klingental, Antoinette Cueni und Linda Wunderlin
weniger anzeigen